Lesbarkeitsanalyse der 50 meistverschriebenen Medikamente in Deutschland

Aktualisiert am 13.06.2025

Komplizierte Formulierungen, lange Sätze und schwer verständliche Inhalte – obwohl Packungsbeilagen wichtige Informationen zur sicheren Anwendung von Medikamenten enthalten, stellen sie für viele Menschen eine große Herausforderung dar. Besonders ältere oder chronisch erkrankte Menschen, die regelmäßig auf Medikamente angewiesen sind, haben oft Schwierigkeiten, die Anleitungen richtig zu verstehen.

Doch wie verständlich sind eigentlich die Beipackzettel, auf die Millionen Patienten in Deutschland täglich angewiesen sind?

Um dieser Frage nachzugehen, haben wir die Packungsbeilagen der 50 am häufigsten verordneten Medikamente genauer unter die Lupe genommen. Mithilfe des Lesbarkeitsindex (LIX) haben wir ermittelt, wie gut die Texte für Laien verständlich sind. Dabei wurden unter anderem die durchschnittliche Satzlänge und der Anteil an langen Wörtern berücksichtigt.

Das Ergebnis: Viele Beipackzettel überschreiten deutlich die Grenze zu Sachliteratur.

Wenn der Beipackzettel zur Hürde wird

Eigentlich sollen Packungsbeilagen Sicherheit geben – sie informieren über Wirkstoffe, Dosierungen, Nebenwirkungen und Anwendungsfehler. Doch für viele Menschen stellen sie eher eine Hürde dar als eine Hilfe. Sechs der untersuchten Beipackzettel überschreiten einen LIX-Wert von 50 und erreichen damit das sprachliche Niveau von Sachliteratur. Für medizinische Laien bedeutet das: Die Texte sind oft zu komplex, um sie auf Anhieb zu verstehen.

Die Packungsbeilagen folgender Medikamente erweisen sich als schwer verständlich:

  • Ibuflam/-Lysin (ratiopharm 400 mg)
  • Thyronajod® 75 Henning
  • L-Thyroxin Henning 100
  • Pantoprazol – 1 A Pharma® 20 mg
  • Atorvastatin AXiromed 10 mg
  • MetoHEXAL® Succ® 47,5 mg Retardtabletten

Sprachlich besonders anspruchsvoll präsentiert sich die Packungsbeilage von Ibuflam/-Lysin (ratiopharm 400 mg), einem häufig verordneten Schmerzmittel bei entzündungsbedingten Beschwerden wie Zahn- oder Gelenkschmerzen. Mit einem LIX-Wert von 53,68 liegt sie an der Spitze der Analyse. Der Text enthält einen hohen Anteil langer Wörter (45,5 Prozent) und eine vergleichsweise hohe durchschnittliche Satzlänge von 8,14 Wörtern – zwei Faktoren, die das Verständnis zusätzlich erschweren.

Auch bei Thyronajod® 75 Henning, einem Kombinationspräparat zur Behandlung von Schilddrüsenerkrankungen wie Kropf oder Schilddrüsenunterfunktion, ist der sprachliche Anspruch hoch. Der LIX-Wert liegt bei 51,43, mit 44,5 Prozent langen Wörtern und einer durchschnittlichen Satzlänge von 6,91 Wörtern. Knapp dahinter folgt L-Thyroxin Henning 100, ebenfalls ein Schilddrüsenpräparat, mit einem LIX-Wert von 51,26, 44,2 Prozent langen Wörtern und einer mittleren Satzlänge von 7,05 Wörtern.

Weitere Beispiele für schwer verständliche Packungsbeilagen sind Pantoprazol – 1 A Pharma® 20 mg (LIX 50,26), ein Medikament zur Behandlung von Magen-Darm-Beschwerden, Atorvastatin AXiromed 10 mg (LIX 50,19), das zur Senkung erhöhter Cholesterinwerte eingesetzt wird, sowie MetoHEXAL® Succ® 47,5 mg Retardtabletten (LIX 50,06), ein Arzneimittel gegen Bluthochdruck.

Diese Ergebnisse machen deutlich: Auch häufig verschriebene und weit verbreitete Medikamente kommen mit Packungsbeilagen daher, die sprachlich weit entfernt von einem patientennahen Informationsstil sind.

Diese Beipackzettel überzeugen durch Leserfreundlichkeit

Dass medizinische Informationen auch in klarer, zugänglicher Sprache vermittelt werden können, beweisen einige wenige, aber herausragende Beispiele unter den analysierten Beipackzetteln.

Die folgenden Packungsbeilagen weisen einen Lesbarkeitsindex von unter 45 auf:

  • Allopurinol Indoco 100/ 300 mg Tabletten
  • Candecor® 16 mg Tabletten
  • Candesartan 1A Pharma 4/8 /16/ 32 mg - Tabletten
  • Xarelto 15/ 20 mg Filmtabletten
  • Jardiance® Filmtabletten
  • Enalapril AL 10
  • Ramipril - 1 A Pharma® 5 mg Tabletten

An der Spitze steht die Beilage von Allopurinol Indoco (100/300 mg Tabletten). Mit einem LIX-Wert von 41,41 zählt sie zu den am besten verständlichen Beipackzetteln der gesamten Analyse. Die Zahlen sprechen für sich: 2.159 Wörter verteilen sich auf 461 Sätze, was einer besonders kurzen durchschnittlichen Satzlänge von nur 4,68 Wörtern entspricht. Auch der Anteil langer Wörter liegt mit 36,7 Prozent deutlich unter dem Durchschnitt. Diese kompakte, klare Sprache erleichtert das Lesen und Verstehen – ein echter Zugewinn für Patienten, die auf gut verständliche Informationen angewiesen sind.

Ebenfalls vorbildlich ist die Beilage von Candecor® 16 mg Tabletten, einem blutdrucksenkenden Medikament. Der Lesbarkeitsindex von 42,89, eine durchschnittliche Satzlänge von 4,93 Wörtern und ein Anteil langer Wörter von 38,0 Prozent zeigen: Auch komplexe medizinische Inhalte lassen sich in eine zugängliche Sprache übersetzen, wenn die Struktur stimmt und auf unnötige Fachbegriffe oder Schachtelsätze verzichtet wird. Den dritten Platz unter den leserfreundlichsten Beipackzetteln belegt Candesartan-1 A Pharma (4/8/16/32 mg Tabletten), ein weiteres Medikament zur Blutdrucksenkung. Mit einem LIX-Wert von 43,56, einem Anteil langer Wörter von 37,1 Prozent und einer durchschnittlichen Satzlänge von 6,5 Wörtern bleibt auch dieser Text im gut verständlichen Bereich.

Diese Beispiele zeigen deutlich: Gute Patientenkommunikation ist kein Zufall – sie ist möglich. Wer medizinische Informationen klar und strukturiert aufbereitet, hilft nicht nur beim sicheren Umgang mit dem Medikament, sondern stärkt auch das Vertrauen in die Arzneimitteltherapie insgesamt. Und genau darum geht es – Patienten nicht zu überfordern, sondern mitzunehmen.

Die Wortanzahl im Vergleich

Neben der sprachlichen Gestaltung spielt auch der Umfang der Beipackzettel eine entscheidende Rolle für deren Zugänglichkeit. Besonders umfangreich sind:

  • Eliquis® (5 mg): 13.902 Wörter
  • Jardiance®: 13.031 Wörter
  • Candesartan Heumann: 6.753 Wörter

Im Vergleich dazu kommen andere Medikamente mit rund einem Zehntel des Umfangs aus:

  • Amlodipin Dexcel®: 1.102 Wörter
  • Lercanidipin Omniapharm®: 1.512 Wörter
  • Torasemid - 1 A Pharma®: 1.649 Wörter

Ein hoher Textumfang kann Patienten schnell überfordern, insbesondere wenn gleichzeitig eine komplexe Sprache verwendet wird.

Über den Lesbarkeitsindex

Der LIX-Index wurde bereits 1968 von dem schwedischen Sprachforscher Carl-Hugo Björnsson entwickelt. Er basiert auf zwei zentralen Kriterien: der durchschnittlichen Satzlänge sowie dem Anteil langer Wörter (mehr als sechs Buchstaben) in einem Text. Je höher der Wert, desto schwieriger ist der Text zu lesen – besonders für Laien ohne medizinisches Vorwissen.

Zum Vergleich:

  • Ein LIX-Wert unter 40 entspricht dem Sprachniveau von Kinder- und Jugendliteratur.
  • Werte zwischen 40 und 50 bewegen sich im Bereich unterhaltender Belletristik.
  • Ab einem Wert von 50 wird es anspruchsvoller: Texte in diesem Bereich sind vergleichbar mit Sachliteratur.
  • Ab etwa 60 spricht man von Fachliteratur – für viele Patienten nur schwer zugänglich.

Warum das alles wichtig ist

Eine klare und verständliche Packungsbeilage ist besonders für ältere und chronisch erkrankte Menschen unerlässlich, um Medikamente sicher und korrekt anzuwenden. Unsere Analyse zeigt, dass es bei vielen Arzneimitteln noch Potenzial gibt, die Verständlichkeit weiter zu verbessern.

Wer Medikamente einnimmt, braucht Informationen, die nicht verwirren, sondern unterstützen. Unverständliche Sprache kann schwerwiegende Folgen haben – von fehlerhafter Dosierung bis hin zum Abbruch der Therapie. Daher ist es entscheidend, dass die Kommunikation rund um Arzneimittel den Alltag der Patienten berücksichtigt – sowohl inhaltlich als auch strukturell.

Beipackzettel sollten keine komplizierten wissenschaftlichen Texte sein, sondern verständliche Begleiter im Alltag der Gesundheitsversorgung. Klare und einfache Sprache sorgt für mehr Sicherheit, stärkt das Vertrauen in die Behandlung und fördert die Therapietreue. Unser Ziel ist es, dass Patienten nicht nur Zugang zu ihren Medikamenten haben, sondern auch die nötigen Informationen, um diese sicher und korrekt anzuwenden.

Falls Unsicherheiten oder Fragen zur Anwendung eines Medikaments bestehen, ist das Team von mycare.de jederzeit für Sie da. Wir erklären Ihnen gerne alle Anwendungshinweise und sorgen dafür, dass Sie sich bei Ihrer Medikation jederzeit gut informiert fühlen.

Denn: Eine gute Gesundheit wächst aus dem Verständnis für die eigene Behandlung.