Alle Fakten zu SSRI – Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer

✓ Medizinisch geprüft - Lesezeit: 4 Minuten

Von Dr. Leonie Dolder, Medizinjournalistin
Aktualisiert: 19.09.22

schwarzhaarige Frau liegt in Embryonalstellung auf einem grauen Sofa mit zwei braunen Kissen

SSRI gehören zu den sogenannten Antidepressiva, sie werden also gegen Depressionen eingesetzt. Die Abkürzung steht für “Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer". Sie hemmen, wie der Name bereits sagt, die Wiederaufnahme des Botenstoffs Serotonin. Die genaue Wirkungsweise wird weiter unten erklärt.

Was sind SSRI?

Um die SSRI zu verstehen, muss man zuerst verstehen, was eine Depression ist. Eine Depression ist definiert als eine anhaltende gedrückte Stimmung, eine Hemmung von Antrieb und Denken. Menschen mit einer Antriebsschwäche sind nahezu unfähig, aus eigenem Antrieb heraus etwas zu tun (nicht zu verwechseln mit Müdigkeit). Zudem kann es bei einer Depression zu Interessenverlust sowie Schlaflosigkeit und Appetitstörungen kommen. Ferner berichten Patienten über diverse körperliche Symptome wie zum Beispiel Schmerzen. Mittels Antidepressiva werden Depressionen behandelt, diese können die Stimmung aufhellen und führen zu einer Antriebssteigerung. Ferner ist es wichtig, dass Patienten mit einer Depression eine Gesprächs- oder Verhaltenstherapie erhalten, dies kann bei einem Psychologen oder aber auch Psychiater stattfinden.

Infografik SSRI: Informationen zu Wirkung und Einsatzgebieten

SSRI lassen sich in folgenden Fakten zusammenfassen:

  • SSRI sind Antidepressiva – dies sind Medikamente, welche gegen Depressionen eingesetzt werden.
  • Nebenwirkungen dieser Medikamente können sexuelle Funktionsstörungen, aber auch verminderte Libido, Kopfschmerzen, Übelkeit, Schlafstörungen und Verdauungsbeschwerden sein.
  • SSRI wirken erst nach zwei bis drei Wochen konsequenter Einnahme.
  • Absetzsymptome (zum Beispiel Reizbarkeit, Ängstlichkeit, Übelkeit) können auftreten, wenn das Medikament abrupt abgesetzt wird.
  • Nimmt man zusätzlich andere Medikamente ein, muss dies unbedingt mit dem Arzt besprochen werden, denn es kann zu Wechselwirkungen von SSRI mit anderen Medikamenten kommen.
  • Nimmt ein Patient ein Antidepressivum, so bessert das nicht nur seine Stimmung, sondern auch sein Appetit kehrt zurück. Deshalb kann es bei vielen antidepressiven Behandlungen zu einer Gewichtszunahme kommen.
  • Es gibt auch pflanzliche Alternativen, welche gegen Depressionen eingesetzt werden können.

Typische Antidepressiva der Klasse SSRI sind:

  • Fluoxetin
  • Citalopram
  • Escitalopram
  • Sertralin
  • Fluvoxamin
  • Paroxetin

SSRI sind weit verbreitet, können als Tabletten eingenommen werden und erfordern selten eine Dosisanpassung (mit Ausnahme von Fluvoxamin). Wichtig zu wissen ist aber, dass sie erst nach zwei bis drei Wochen wirken. Man muss sie regelmäßig einnehmen.

Wie wirken die Serotonin Tabletten?

Wie Wirkungsweise von SSRI ist sehr komplex: Serotonin ist ein Neurotransmitter - Neurotransmitter sind biochemische Botenstoffe, welche sich in der Verbindungsstelle zwischen den Nervenzellen, den Synapsen, befinden. Neurotransmitter sind dort für die Signalübertragung zuständig. Das bedeutet, dass sie Informationen von einer Nervenzelle zur nächsten übertragen. Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Inhibitoren, kurz SSRI genannt, erhöhen die Serotoninkonzentration im synaptischen Spalt, indem sie die Wiederaufnahme des Neurotransmitters Serotonin hemmen. Im synaptischen Spalt befindet sich dank den SSRI mehr Serotonin: Mehr Serotonin heißt weniger Depression.

Wann werden selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer eingesetzt?

Eine Therapie mit SSRI wird bei Depressionen, aber auch bei Zwangsstörungen und Angststörungen/ verschrieben. Am meisten werden SSRI bei schwerer Depression verwendet. Off-label, das heißt außerhalb der Indikationsgebiete, setzt man SSRI auch zur Behandlung von Essstörungen, aber auch Fibromyalgie oder zur Behandlung von Wechseljahr-Beschwerden ein.

Welche Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen können bei SSRI Medikamenten auftreten?

Im Vergleich zu anderen Antidepressiva haben SSRI weniger Nebenwirkungen. Am Anfang der Behandlung kann es zu Kopfschmerzen, Übelkeit und Schlafstörung kommen. Patienten berichten aber auch oft über Verdauungsbeschwerden wie Durchfall, Appetitlosigkeit und Erbrechen (2).

Des Weiteren können SSRI Sexualdysfunktionen wie zum Beispiel eine erektile Dysfunktion auslösen. Es kann zu Impotenz, Erektionsstörungen oder auch zu veränderten Samenergüssen kommen.

In Großbritannien und USA haben die Regulierungsbehörden Warnungen vor erhöhter Suizidalität und Suizidgefahr sowie auch Aggression bei Kindern und Jugendlichen herausgegeben (1).

Bei einer langfristigen Behandlung mit SSRI kann das Risiko für eine Osteoporose steigen.

SSRI sollten nie gemeinsam mit Migräne-Medikamenten aus der Gruppe der Triptane eingenommen werden, da beide Medikamente eine ähnliche Wirkung haben und es zum sogenannten Serotoninsyndrom kommen kann, welches lebensgefährlich sein kann. Auch Tramadol und Tapentadol erhöhen das Risiko eines Serotoninsyndroms. Die gleichzeitige Einnahme von MAO-Hemmern erhöht das Risiko eines Serotonin-Syndroms ebenfalls. Die Symptome eines Serotoninsyndroms sind: Fieber, Schwitzen, Tremor, Hyperreflexe, Verhaltens- und Bewusstseinsstörungen - dieses Syndrom ist potenziell lebensbedrohlich.

Bei Patienten, die Blutverdünner, gewisse Schmerzmittel, Entzündungshemmer oder Kortison parallel zu SSRI einnehmen, können Störungen der Blutgerinnung mit erhöhtem Blutungsrisiko auftreten. Das Risiko einer Blutung im oberen Magen-Darm-Trakt steigt durch SSRI auf das bis zu 2,5-fache und durch die Kombination mit einem NSAR (nichtselektiven nichtsteroidalen Antirheumatikum wie zum Beispiel Ibuprofen) auf das bis zu 9,1-fache, wenn kein Magenschutzmittel wie Pantoprazol angewendet wird (3).

Gibt es Alternativen zu SSRI?

Neben den SSRI gibt es noch weitere Klassen Antidepressiva, welche ebenso verschreibungspflichtig sind:

  • Trizyklische Antidepressiva (TZA)
  • Selektive Noradrenalin-Dopamin-Wiederaufnahmehemmer (SNDRI)
  • Selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI)
  • Monoaminoxidase-Hemmer (MAO-Hemmer)
  • Selektive Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (sNRI)
  • Selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI)
  • Tetrazyklische Antidepressiva

Zudem existieren diverse pflanzliche Präparate, welche gegen Depressionen eingesetzt werden können:

  • Johanniskraut-Extrakt: Bei Johanniskraut muss man jedoch die Wechselwirkung mit anderen Medikamenten beachten, zum Beispiel mit der Antibabypille oder Gerinnungshemmern. Auch in Kombination mit anderen Antidepressiva sollte Johanniskraut nicht eingenommen werden.
  • Baldrian
  • Hopfen: Entspannt und beruhigt.
  • Lavendel: Entspannt und wirkt auch angstlösend.
  • Melisse: Die Heilpflanze macht ausgeglichener, lindert Unruhezustände und erleichtert so das Einschlafen. Hochkonzentrierte Melisse ist in Form von Kapseln, Tabletten und Heilpflanzensaft in der Apotheke erhältlich.
  • Passionsblume
  • Apfelbeere
  • Guarana
  • Gingseng: Ginseng zählt zu den ältesten Naturheilmitteln. Insbesondere Roter Ginseng fördert die Regenerationskräfte des Körpers und hilft effektiv beim Stressabbau.
  • Kurkuma: Die Gewürzpflanze, auch gelber Ingwer genannt, kann stimmungsaufhellend wirken. Zu einer wirkungsvollen Behandlung bei Depressionen sollte man höher dosierte Kurkuma-Präparate aus der Apotheke verwenden.

All diese Präparate können unterstützend wirken. Wichtig bleibt jedoch, dass Depressionen erkannt und ärztlich behandelt werden.

 Info: Falls Sie eine Depression oder selbstverletzende Gedanken haben, suchen Sie sich bitte ärztliche Hilfe. Im Notfall können Sie sich an die Telefonseelsorge (https://telefonseelsorge.de) unter 0800/111 0 111 wenden.

Literatur:

  1. https://www.fda.gov/drugs/postmarket-drug-safety-information-patients-and-providers/suicidality-children-and-adolescents-being-treated-antidepressant-medications (abgerufen am 11.06.2022).
  2. https://compendium.ch/product/1017868-cipralex-filmtabl-20-mg/mpro (abgerufen am 11.06.2022).
  3. Torsten Kratz, Albert Diefenbacher: Psychopharmakotherapie im Alter. Vermeidung von Arzneimittelinteraktionen und Polypharmazie. In: Deutsches Ärzteblatt, Band 116, Heft 29 f. 2019, S. 508–517, S. 514.

Allgemeiner Hinweis: In unseren Ratgebern verwenden wir für die bessere Lesbarkeit überwiegend das generische Maskulinum. Gemeint sind damit aber auch Angehörige des weiblichen Geschlechts und anderer Geschlechtsidentitäten.

Autorin Ärztin Dr. Leonie Dolder

Über unsere Autorin:

Dr. Leonie Dolder | Ärztin
Ich bin Ärztin und medizinische Autorin aus Leidenschaft. Es liegt mir am Herzen, den Menschen Gesundheitsthemen näher zu bringen und Medizin verständlich zu erklären, denn ein gut informierter und aufgeklärter Patient kann sich besser um sein größtes Gut - seine Gesundheit - kümmern. Mehr über L. Dolder

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Janet, Apothekerin bei mycare.de
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